Informationen

Informationen für Patienten

Die Grenze zwischen Angst und Angsterkrankung

Angst ist an sich ein normales Gefühl, das zum Leben gehört und eine wichtige biologische Funktion hat. Jeder Mensch kennt vorübergehende reale Ängste und Sorgen wie die, den Arbeitsplatz zu verlieren, die Angst vor einer Krebserkrankung, vor Kriegen oder Naturkatastrophen. Biologisch gesehen hat Angst in einer Gefahrensituation eine wichtige Schutz- und damit Überlebensfunktion: sie löst die sogenannte "Kampf- oder Fluchtreaktion" aus, die es dem Menschen ermöglicht, in einer Gefahrensituation schnell zu reagieren und das Überleben zu sichern. 

Angst wird krankhaft und behandlungsbedürftig, wenn sie zu häufig, zu lange oder zu intensiv auftritt, wenn man das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren, Angstsituationen häufig vermeidet oder aus ihnen fliehen muss. Dies ist meist mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden. Man spricht dann von einer Angststörung oder Angsterkrankung. Angsterkrankungen gehören neben Depressionen zu den häufigsten seelischen Störungen. Studien zufolge erkranken europaweit ca. 15 bis 20 Prozent aller Menschen irgendwann im Laufe ihres Lebens an einer behandlungsbedürftigen Angststörung.

Dabei ist einem Teil der Patienten durchaus bewusst, dass ihre Angst „übertrieben“ oder zu ausgeprägt ist und keine reale Gefahr existiert. Allerdings sind einige Patienten angesichts der vielen körperlichen Symptome der Angst überzeugt, dass eine körperliche Erkrankung Ursache ihrer Beschwerden ist. 


Formen von Angsterkrankungen

Zu den häufigsten Angsterkrankungen zählen die Panikstörung, die soziale Phobie und die generalisierte Angststörung. Sogenannte spezifische Phobien, wie z. B. Höhen-, Flugangst oder Angst vor Spinnen, treten sogar noch häufiger auf, führen aber nur selten zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. 


Panikstörung

Typisch für eine Panikstörung sind wiederkehrende Angstattacken oder Angstanfälle, die abrupt und zumindest scheinbar aus „heiterem Himmel“, d.h. ohne erkennbaren äußeren Anlass, auftreten und mit typischen körperlichen Symptomen einhergehen. Zu diesen zählen häufig Herzklopfen oder –rasen, Schwitzen, Zittern, Schwindel und andere Symptome. Da die Angstanfälle von intensiven körperlichen Symptomen begleitet werden und beim ersten Mal häufig in Ruhe- und Entspannungssituationen auftreten, gehen die Betroffenen meist davon aus, körperlich krank zu sein und suchen unter Umständen wiederholt den Arzt oder die Notaufnahme eines Krankenhauses auf. 


Agoraphobie

Wörtlich übersetzt bezeichnet „Agoraphobie“ die Angst vor großen Plätzen. Allerdings bezeichnet man so auch die Furcht vor Menschenmengen, die Angst im öffentlichen Raum, sowie die Angst alleine oder weit weg von zu Hause sein. Die Betroffenen fürchten dabei nicht die Situation als solche, sondern ihre körperlichen Reaktionen in dieser Situation; dabei können körperliche Symptome des leichten Unwohlseins bis hin zu ausgeprägten Panikattacken auftreten. Gemeinsam ist den genannten Situationen, dass es schwierig ist, aus ihnen zu fliehen (z. B. mitten in einer Menschenmenge) oder Hilfe zu bekommen (z. B. wenn man weit weg von Zuhause ist). Häufig ist die Agoraphobie mit einer Panikstörung vergesellschaftet, da die Betroffenen aufgrund der „Angst vor der Angst“ immer mehr Situationen vermeiden. 


Generalisierte Angststörung

Im Gegensatz zur Panikstörung besteht bei der Generalisierten Angststörung eine dauerhafte und anhaltende Angst, die sich meist schleichend entwickelt. Diese Angst äußert sich ebenfalls mit typischen körperlichen Symptomen wie z. B. Herzrasen oder –klopfen, Zittern, Muskelverspannungen, Schwitzen, Unwohlsein, Magendruck etc. Gleichzeitig bestehen ausgeprägte Sorgen und Befürchtungen, die die Betroffenen nicht mehr kontrollieren und „abschalten“ können. Die Sorgen drehen sich meist um die eigene Gesundheit, die Gesundheit Nahestehender, politische Ereignisse, Weltgeschehen, Beruf, Partnerschaft, Finanzen etc. Die Patienten schildern häufig, „schon immer“ ängstlich gewesen zu sein. Unter anderem deswegen wird die generalisierte Angststörung vielfach erst spät erkannt oder gar übersehen.


Soziale Phobie

Die Soziale Phobie beginnt häufig bereits im Jugendalter und bezieht sich auf die Angst, in der Öffentlichkeit zu versagen oder sich zu blamieren. Es besteht eine ausgeprägte Furcht vor Kritik und negativer Beachtung durch andere. Häufig treten Symptome wie Erröten und Händezittern auf und werden von den Betroffenen zu verbergen versucht. Soziale Situationen, in denen die Patienten im Mittelpunkt stehen, werden weitgehend gemieden. Das Sprechen vor anderen, das Aufgeben einer Bestellung im Restaurant oder das Kaufen einer Fahrkarte am Schalter fällt den Patienten oft sehr schwer. Während für manche Betroffene nur eng umschriebene soziale Situationen schwierig sind (z.B. mit anderen essen, Vortrag halten), berichten andere über die die obengenannten, typischen Symptome in nahezu allen sozialen Situationen. Man unterscheidet daher zwischen der umschriebenen und der generalisierten sozialen Phobie.


Spezifische Phobie

Bei den spezifischen Phobien handelt es sich um Ängste, die sich nur auf ganz bestimmte Situationen oder Objekte beziehen, wie z.B. Höhe, Donner, Dunkelheit, geschlossene Räume, Flugreisen, Tiere etc. Die Betroffenen wissen in der Regel, dass die Angst übertrieben ist, und dass von den gefürchteten Objekten oder Situationen keine wirkliche Gefahr ausgeht. Die häufigste Phobie ist die Angst vor kleinen Tieren, wie z. B. Spinnen. Eine spezifische Phobie kann so ausgeprägt sein, dass eine Behandlung erforderlich ist. 


Behandlung von Angsterkrankungen

Die gute Botschaft ist: Angsterkrankungen gelten als sehr gut behandelbar. Je nach Diagnose, individueller Vorgeschichte und Schweregrad kommen Psychotherapie, eine medikamentöse Behandlung oder deren Kombination zur Anwendung.


Psychotherapeutische Behandlung

Für die Behandlung von Angsterkrankungen stehen verschiedene psychotherapeutische Verfahren zur Verfügung. Als am besten wissenschaftlich untersucht und wirksam gilt die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Im Rahmen einer KVT werden unterschiedliche Techniken angewandt. Ein wichtiger Baustein der Therapie ist, dass der Betroffene lernt, sich seiner Angst zu stellen und Situationen nicht mehr zu vermeiden. Diese Therapie wird Exposition genannt und sieht vor, dass der Patient – zunächst mit therapeutischer Begleitung – Angstsituationen (z.B. ein Kaufhaus, Kino) wieder aufsucht und so lange in der Situation verbleibt, bis die Angst spürbar nachlässt. Wichtig ist dabei, sich der Angst zu stellen und sie auszuhalten, sie nicht zu vermeiden. 

Weitere mögliche Therapieverfahren sind die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder die systemische Therapie. 


Medikamentöse Behandlung

Zeigt eine Psychotherapie allein nicht den gewünschten Erfolg, hat die Erkrankung einen gewissen Schweregrad oder liegen komorbide Störungen wie z.B. eine Depression vor, empfehlen Experten den Einsatz von bestimmten Medikamenten, die für die Behandlung von Angsterkrankungen zugelassen sind. Hierzu gehören in erster Linie moderne Antidepressiva (SSRIs, SNRIs) oder in bestimmten Fällen das Antikonvulsivum Pregabalin. Im Gegensatz dazu wird der Einsatz klassischer Angstlöser wie Benzodiazepinen nicht oder nur als Notfallgabe empfohlen.


Dipl.-Psych. S. Gmeinwieser

Angst-Schwerpunkt-Station 

kbo-Inn-Salzach-Klinikum

Wasserburg am Inn


Share by: